- Sankt Martin: Historische Hintergründe und Brauchtum
- Sankt Martin: Historische Hintergründe und BrauchtumDer heilige Martin von Tour, dessen Fest am Martinstag am 11. November gefeiert wird, wurde um 316 in Savaria (Szombathely) im heutigen Ungarn geboren. Er starb im Jahre 397 in Candes im heutigen Frankreich. Martin war der Sohn eines römischen Tribuns. Er diente seit dem 15. Lebensjahr im Heer.Schon mit 18 Jahren trat er zum Christentum über und ließ sich taufen. Er verließ das römische Heer und schloss sich als Schüler dem Bischof Hilarius von Poitier an. Im Jahr 361 gründete er das Kloster Ligugé, das erste in Gallien.Martin lebte hier etwa sieben Jahre lang als Eremit, dann schlossen sich ihm zahlreiche Jünger an. Als Bischof von Tours, zu dem er 371 gewählt wurde, gründete er das Kloster Marmoutier bei Tours. Der heilige Martin war beim Volk als Seelsorger, Missionar und Wundertäter sehr beliebt. Er starb am 8. November 397 auf einer Missionsreise.Martin war einer der ersten Heiligen, die im offiziellen kirchlichen Kult gefeiert wurden. Im fünften Jahrhundert baute man über seinem Grab eine Kapelle, die später zu einer Basilika erweitert wurde, die den Mittelpunkt des Klosters St. Martin bildete. Der heilige Martin war zusammen mit Remigius der Nationalheilige des Frankenreiches, durch Chlodwig wurde er der Schutzherr der fränkischen Könige und Kaiser.Nach der Trennung des fränkischen Reiches wurde Martin zum Schutzpatron Frankreichs. Er wurde aber auch auf vielen anderen Gebieten als Retter und Helfer angerufen. So gilt er als Schutzpatron der Hirten und des Viehs.Die LegendeDas bekannteste Motiv der Legende des heiligen Martin ist die Mantelspende, bei der er in Amiens zugunsten eines Bettlers seinen Mantel mit dem Schwert teilte. Diese Mantelspende soll sich noch zur Soldatenzeit Martins ereignet haben. Zur Erinnerung an diese Tat wurde bei vielen Schlachten — etwa von den merowingischen Königen — ein solcher Mantel dem Heer vorausgeführt.Das BrauchtumDer MartinszugDer in Deutschland vor allem seit dem 19. Jahrhundert im Rheinland bekannteste Brauch ist der des Martinszuges, bei dem die Kinder Fackeln tragen und die alten Martinslieder singen. Das älteste Zeugnis eines Martinsliedes geht zurück auf eine Erwähnung aus dem Jahre 1263. Oft reitet im Zug der heilige Martin auf einem Schimmel mit und teilt für einen Bettler seinen Mantel.Das MartinsfeuerDas Martinsfeuer bildet häufig den Endpunkt eines Martinszuges. Ihren Ursprung haben diese Feuer im Wunsch nach der Verbrennung des Sommers, dessen Zeit damit endgültig abgelaufen ist. Möglicherweise stellten sie auch Ernteopfer dar.Die MartinsgänseDie Martinsgänse sollen der Legende nach den heiligen Martin bei der Predigt durch ihr Geschnatter gestört haben. Ferner geht die Legende, dass sie ihn im Jahre 371 verraten haben sollen, als er sich versteckt hielt, um nicht zum Bischof von Tours gewählt zu werden. Auch wird in den Gänsen der Vegetationsgeist gesehen, der nach Ablauf des Sommers getötet und verzehrt wird, zumal Gänse auch bei anderen Festen im Herbst erscheinen, wie etwa dem Michaelisfest am 29. September und bei den Herbstjahrmärkten. Der Bezug zwischen den Gänsen und dem Martinstag ist aber wohl auch profanerer Natur: Um die Zeit des Martinstages Mitte November sind die Tiere ausgereift, es ist also ein guter Zeitpunkt, sie zu schlachten, zu rupfen — ihre Federn stellten immer schon ein wertvolles Naturprodukt dar — und sie zu verzehren. Den Martinsgänsen wurde oft auch heilende Kraft zugeschrieben gegen alle möglichen Krankheiten und Gebrechen: So sollte zum Beispiel ihr Blut gut gegen Fieber sein, ihr Fett dagegen heilende Wirkung bei Gicht haben.Martinstag als wichtiger TerminEin weiterer Grund, der die Gänse in Zusammenhang mit dem Fest des heiligen Martin am 11. November brachte, ist die Tatsache, dass dieser Tag ein wichtiger Zinstag war, an dem die Zinsgabe der Bauern an die Grundherren fällig war — eben die (Martins)gänse.Der Martinstag war ursprünglich auch der Tag, an dem das neue Wirtschaftsjahr begann. Zudem wechselte an diesem Tag auch vielfach das Gesinde den Dienst. In vielen Gegenden war dieser Tag Anlass, gut und ausgiebig zu trinken und zu essen. Der Rausch, den man sich antrank, sollte einen stark und kräftig machen für das ganze folgende Jahr.Der 11. 11., 11 Uhr 11, ist auch der Beginn der Karnevalszeit. Dies ist aber wahrscheinlich nicht der Fall wegen der originellen Zahlen von Datum und Urzeit, sondern wegen des Bezuges auf den Martinstag am 11. November, an dem das Adventsfasten (bis Weihnachten) beginnt.Die MartinsgerteEin Martinsbrauch, der in Österreich noch praktiziert wird, ist die Martinsgerte. Dabei werden andere mit der Gerte geschlagen, um auf diese Weise für Fruchtbarkeit zu sorgen. Ähnliche Ursprünge hat der alte Brauch, bei dem Liebende sich einen Zweig von einem Obstbaum ins Zimmer stellen. Als gutes Zeichen gilt es dann, wenn zu Weihnachten beide Zweige gemeinsam erblühen.Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, herausgegeben von Hanns Bächtold-Stäubli u. a. Band 5. Berlin 1933, Nachdruck Berlin 1987.Manfred Becker-Huberti: Feiern - Feste - Jahreszeiten. Lebendige Bräuche im ganzen Jahr. Geschichte und Geschichten, Lieder und Legenden. Freiburg im Breisgau 1998.Hermann Kirchhoff: Christliches Brauchtum. Feste und Bräuche im Jahreskreis. München 31998.
Universal-Lexikon. 2012.